Gatalija

Das Herz des Winters

Ein heiseres Knurren drang vom Waldrand herüber. Hitze breitete sich in meinen Adern aus. Ich hielt den Atem an, als ich langsam den Kopf drehte.

Er war groß. So groß, dass ich mich zwingen musste, nicht vor ihm davonzulaufen. Mein Herzschlag hämmerte in meiner Brust wie der Hammer eines Schmiedes, der Stahl bearbeitete. Jeder Schlag hinterließ ein Zittern in meinem Körper. Alles in mir schrie danach, vor ihm davonzulaufen, aber meine Füße blieben fest mit der Erde verwurzelt.

Seine Augen glitzerten wie Bernstein aus den Schatten der Bäume, die ihn umgaben. Die lange Schnauze entblößte scharfe Zähne, so scharf und spitz, dass sie mich zerreißen und jeden Knochen in meinem Leib brechen konnten. Sein Fell war dicht und von einem solch dunklen Grau, dass es im ersterbenden Licht des Tages beinahe schwarz wirkte.


Herrscher: Der Fürstenbund von Gatalija

Wappen: Zwei aufgerichtete Bären auf grünem Grund

Hauptstadt: Dorijn


Der Winter herrscht über Gatalija. Eine glitzernde Decke aus Schnee bedeckt das Land beinahe das ganze Jahr und schwindet nur im Sommer für einige Monate, bis sie im Herbst wieder zurückkehrt. Das Leben hier ist karg, das Land so weit, dass man tagelang seine Weite durchqueren kann, ohne einer anderen Seele zu begegnen. Der Wind ist scharf und schneidend. Im Frühling und im Herbst verweht er den Schnee zu bizarren, unheimlichen Formen, die bestehen bleiben, bis die Sonne genug Kraft erringt, um sie zu schmelzen.

Die Wälder sind dicht und dunkel, die hohen Bäume uralt - und sie verbergen viele Geheimnisse unter ihren Zweigen. Eines davon ist gewiss, dass Tierblut in den Adern der Landesfürsten fließt.


Gatalija ist das Land der Wandler, ein Land, wie dafür geschaffen, Geheimnisse zu wahren. Und so sind die Geschichten, die Abends an den Kaminfeuern erzählt werden, niemals weit von der Wahrheit entfernt. Erzählungen von Wölfen, die allzu menschliche Augen besitzen. Von Bären, die sich in Menschen verwandeln oder Schwänen, die im Mondlicht die schöne Gestalt einer Frau annehmen. Nirgends gibt es mehr Legenden, nirgends gibt es mehr Barden, die in den Gasthäusern stets herzlich willkommen sind und nirgends enthalten die Geschichten einen wahreren Kern.


Ohnehin sind Sänger und Erzähler in Gatalija stets gern gesehene Gäste. Niemand weist einem Barden die Tür, glaubt man doch, dass es Unglück bringt. Gatalijer sind abergläubisch und besitzen eine Vielzahl von Bräuchen und Traditionen, die auf Außenstehende merkwürdig und verschroben wirken. Sei es der Brauch, die erste frische Milch des Tages ins Freie zu stellen und sie somit dem Tierreich zu opfern oder jeden Abend eine Kerze zu entzünden, um den Seelen der Ahnen den Weg nach Hause zu weisen, damit sie sich nicht verirren. Wer in Gatalija lebt, kennt die Dunkelheit gut und weiß Wärme ebenso zu schätzen wie Licht. So begrüßt man die Sommersonne jedes Jahr mit einem rauschenden Fest und verabschiedet sie zum Winterbeginn mit melancholischen Liedern.


Gatalijer begegnen dem Tierreich stets mit Respekt und Vorsicht, selbst jene, die nicht daran glauben, dass es Tierwandler gibt. Häufig kommen Tierbluthändler aus dem benachbarten Nôsryn nach Gatalija, um nach reicher Beute Ausschau zu halten. Diese werden nicht gern gesehen und wer ihnen Obdach gewährt, kann mit harten Strafen rechnen. Doch dies hält viele Gatalijer nicht davon ab, mit den glänzenden Goldstücken der Händler ihr karges Leben aufzubessern. Tierbluthändler bezahlen gut - schließlich gibt es auf ganz Atharys viele Adelige, die sich nur zu gern des Besitzes eines wahrhaftigen Tierblutes rühmen. Allerdings kommt es ebenfalls nicht selten vor, dass Tierbluthändler selbst zu Gejagten werden.


Gatalija besitzt keinen König. Der Fürstenbund regiert das Land und trifft in jeder Jahreszeit einmal in Dorijn, der Hauptstadt des Landes, zusammen, um gemeinsame Entscheidungen zu treffen oder Gericht zu halten. Dass jeder der Fürsten das Tier seines Wappens im Blut trägt, ist dabei ein Geheimnis, das Außenstehende niemals erfahren. Es mag Gerüchte geben, Merkmale, die auf ein Tier hinweisen, aber diese sind nicht so deutlich, dass ihnen allzu viel Bedeutung beigemessen wird. Die Statur eines Bären, die Augen eines Wolfs, die Zerbrechlichkeit eines Vogels. Anzeichen gibt es viele, aber das Geheimnis wird eisern von den Tierblutfamilien gewahrt.


Allerdings gibt es auch innerhalb des Fürstenbundes Spannungen. Es wird um Land gestritten, es gibt Konflikte, die nicht immer einfach zu schlichten sind, und nicht selten kommt es zu Kämpfen. Bei allem sind die fruchtbaren Flecken von Gatalija so selten, dass sie bitter umkämpft sind.


Gatalija kann nur selten mit Lebensmitteln handeln und ist stattdessen darauf angewiesen, selbst gute Handelsverbindungen aufrechtzuerhalten. Allerdings sind die Schnitzereien und Holzwaren des Landes überaus beliebt, sowie die starken Obstbrände, die man im Sommer gegen die Kälte braut. Dorijn selbst besitzt zudem eine Vielzahl talentierter Instrumentenbauer, deren Werke über die Landesgrenzen hinaus bekannt und beliebt sind. Nicht umsonst sagt man, dass niemand einen feineren Klang erzeugen kann oder ein besseres Ohr besitzt als die Gatalijer.


Dorijn

Die gespaltene Stadt


Dorijn, das Herz des Winters. Dorijn, die gespaltene Stadt. Zwölf Bezirke versammeln sich in Dorijn und jeder von ihnen untersteht einem anderen Fürsten. Mauern markieren die Grenzen der Gebiete, bewacht von den jeweiligen Wachen in ihren Wappenröcken, die ihrem Fürsten treu ergeben sind.


Es ist eine unruhige Stadt. Friedlich nach außen und doch im Inneren zerrissen, weil es immer wieder zwischen den Bezirken brodelt. Jeder trachtet danach, der größte zu sein. Der mächtigste. Der glanzvollste. Händler und Ladenbesitzer konkurrieren miteinander und nicht immer sind Angehörige eines Bezirks in einem anderen gern gesehen. So wie es Konkurrenz und territoriale Kämpfe zwischen den Fürsten gibt, brodelt es auch in Dorijn, der Stadt, die jedes Fürstentum Gatalijas repräsentiert.


Die Wappenfarben der Fürsten finden sich in den Ziegeln der Dächer wider. Flaggen wehen von den wichtigsten Gebäuden und zeigen deutlich, wer in diesem Teil der Stadt regiert. Jeder Fürst hat einen Vertreter in Dorijn, der die Interessen des Fürstentums in der Fürstenhalle vertritt. Jenem riesigen Bauwerk in der neutralen Mitte Dorijns, in der unbedingt der Frieden zu wahren ist. Statuen der Gründer des Fürstenrates zieren den großen Platz vor der Fürstenhalle, ebenso wie die Flaggen mit den Wappen der zwölf großen Fürstentümer Dorijns. Die Mitte der Stadt ist ein Hafen aus gepflegten Parkanlagen und hoheitsvollen Bauwerken. Wer hier lebt, bleibt von der Konkurrenz im Rest der Stadt verschont und verfügt über ein hohes Maß an Gold in den Taschen.


Im neutralen Zentrum der Stadt finden sich die wichtigsten Gebäude der Regierung, ebenso wie die prachtvolle Kathedrale von Dorijn. Die Straßen sind breit und sauber, Alleen, mit Büschen und Bäumen bepflanzt, von denen zwölf von den Fürstenbezirken aus zur Fürstenhalle führen. Die Flaggen der Fürstentümer wehen zwischen den Bäumen. Eine bunte Wache aus im Wind flatterndem Stoff, durch den die Fürsten einziehen, wenn der Tag ihrer jährlichen Zusammenkunft ansteht.


Das Herz von Dorijn wird von der grau gekleideten Fürstenwache geschützt. Wer in dieser Wache dient, verschreibt sich dem Frieden in der Stadt und der Neutralität. Die Fürstenwache ist es auch, die Streitigkeiten zwischen den Stadtbezirken schlichtet und eingreift, wenn diese zu ernst oder blutig werden. Ihr obliegt die höchste Gewalt von allen Stadtwachen Dorijns und ihre Mitglieder werden stets respektiert und sind hochangesehen.


Die Zusammenkünfte der Fürsten sind die größten Ereignisse des Jahres. Der Zeitpunkt, zu dem sich Dorijn herausputzt und die schönsten Kleider in den Schneidereien in Auftrag gegeben oder aus den Truhen hervorgeholt werden. Der Adel veranstaltet Bälle und Gesellschaften und die ganze Stadt erstrahlt im Lichterglanz. Zu den Festen gibt es eine Vielzahl von Wettkämpfen zwischen den Bezirken. Die Wachen drücken ein Auge zu und vor der Fürstenhalle wird der große Festplatz geschmückt, auf dem es eine Vielzahl von Speisen gibt und Musiker zum Tanz aufspielen. Es sind die buntesten Tage des Jahres, wenngleich sie auch eine ernste Facette besitzen. Denn zur Zeit der Zusammenkunft wird auch über das weitere Schicksal Gatalijas entschieden. Bündnisse werden geschlossen und zerbrechen und das große Gericht der Fürsten findet statt. Nicht selten mit einer anschließenden öffentlichen Hinrichtung jener Verbrecher, deren Verbrechen so groß waren, dass nur der Fürstenbund über ihre Strafe entscheiden kann - oder die ganz Gatalija betreffen.


Während der ersten Zusammenkunft im Frühjahr findet traditionell der Heiratsmarkt statt. Ehen werden beschlossen - nicht selten in höher stehenden Familien, die im Gefüge der Stadt eine Rolle spielen. Diese verändern häufig die Strukturen in Dorijn, manche spielen gar eine Rolle für die Zukunft des Landes. Es ist ein Tag, der mit Spannung erwartet wird und der manches Mal mit hochschlagenden Gefühlen einhergeht. Nicht alle Verbindungen werden gern gesehen. Manche brüskieren ein anderes Fürstenhaus, andere verschieben die Macht zu sehr, als dass sie begrüßt würden. In den Häusern des Adels gleicht der Heiratsmarkt nicht selten einem Spiel um die Macht über das Land und es gab viele Zusammenkünfte der Fürsten in Dorijn, die seinetwegen kein glückliches Ende genommen haben.


Dorijn ist eine majestätische Stadt. Die hohen Gebäude, die Türme der Bauwerke mit den vielfarbigen Zwiebeldächern, die im Winter aus dem Schnee leuchten. Die ehrwürdigen Statuen auf den weitläufigen Plätzen - jeder Fürst Dorijns ist bemüht, seinen Bezirk repräsentativ zu erhalten und dies ist der Stadt anzusehen. Sie strahlt Macht aus. Erhabenheit. Und die große Menge Gold, die in ihren Aufbau geflossen ist, bleibt in jedem Winkel erkennbar.


Es ist auch die Stadt der Tierblute. Viele Tiergeborene leben in den Gassen Dorijns und so weiß man nie, ob die gepflegte Katze im Hinterhof tatsächlich auf der Suche nach Mäusen ist - oder einen allzu menschlichen Verstand beherbergt. Manche verdingen sich bei den hochgestellten Familien als treue Spione und werden für ihre Dienste anschließend fürstlich entlohnt.


Die Wappenfarben des Fürstenbundes:


Adler - Gold

Bär - Dunkelbraun

Elch - Türkis

Eule - Gelb

Falke - Purpur

Fuchs - Rot

Hirsch - Weiß

Luchs - Himmelblau

Schlange - Orange

Schneeleopard - Dunkelblau

Wildschwein - Waldgrün

Wolf - Schwarz / Weiß