Hohe Feen

Sie haben ihre Gefühle für ihre Magie eingetauscht und zu spät bemerkt, was sie verloren haben. Nun sind sie süchtig danach. Die Schätze des Menschenreiches sind nicht in Gold und Juwelen zu messen. Inspiration, Liebe, Schmerz. Alles, was eine Fee nicht mehr besitzt, wonach sie sich sehnt, liegt in den Menschen. Starke Gefühle sind wie ein Lebenselixier für sie. Der einzige Weg, der Eintönigkeit ihres kalten Daseins für eine Weile zu entfliehen. Sie verkaufen Versprechen und gewähren Macht, doch sie lassen sich in Unheil bezahlen. Die Welt der Menschen ist wie ein Schauspiel, das allein zu ihrem Vergnügen aufgeführt wird. Sie spielen mit Leben, um sich zu amüsieren, und wenn sie gehen, lassen sie den Feenwahn zurück.

Feen, die Kinder der Nacht. Geschöpfe, in deren Adern Magie fließt, deren Herzen jedoch leer sind, weil sie für ihre Zauberkraft mit ihren Gefühlen bezahlt haben. Eine Fee ist eine übernatürliche Kreatur. Die meisten niederen Feen sind langlebig und sehen unzählige Jahre ins Land ziehen, ohne ein Anzeichen des Alters zu zeigen. Hohe Feen sind gar unsterblich, alterslos und niemals von Verfall und dem Vergehen der Zeit berührt.


Eine Fee ist aus den Strömen der Magie geboren. Makellos und doch von der Sehnsucht nach der Sterblichkeit und Gefühlen zerfressen, die sie niemals erleben können. Menschen sind wie ein Leuchtfeuer, das sie unwiderstehlich anzieht, weil sie ihre Leere für eine Weile füllen können. Ihre Gefühle sind wie eine Droge, sie zu erleben eine Sucht, der sich keine Fee entziehen kann. Und so ergreifen sie jede Möglichkeit, sich dem Menschenvolk zu nähern, besonders jenen, deren Gefühlsleben besonders tief geht, um daran Anteil zu nehmen. Dies mag daran liegen, dass sie einst menschlich gewesen sind und sich nach dem schlagenden Herzen sehnen, das ihnen genommen worden ist. Eine Erinnerung, die tief in ihnen verwurzelt ist, ohne dass sie selbst sie noch zu fassen vermögen.


Feen saugen die Gefühle ihrer Umgebung auf wie ein Schwamm. Besonders stark, wenn sie auf irgendeine Weise mit einem Menschen verbunden sind, sei es auf geistiger oder körperlicher Ebene. Also suchen Feen diese Verbindung, eine Möglichkeit, Menschen nahe zu kommen und sie zu verführen.


Insbesondere Künstler sind anziehend für Feen. Manche hohen Feen inszenieren sogar wahrhaftige Dramen um ihr Ziel herum, nur um ein noch tieferes Gefühl aus ihm heraus zu kitzeln und sich daran zu laben.

Dabei sind die meisten Feen nicht unbedingt bösartig oder boshaft, sie beabsichtigen nicht, ihrem Opfer Schaden zuzufügen. Aber sie können nicht mit Sterblichen umgehen. Mit ihrer Kurzlebigkeit, der Empfindlichkeit, ihren körperlichen Grenzen. Deswegen sind sie oft der Tod ihres Zieles. Wie ein Kind, das sorglos mit seinem Spielzeug umgeht, bis es zerbrochen ist und vergessen in einer Ecke endet.


Im Vergleich zu einer Fee ist ein Mensch ein Gefäß aus Glas. Und obwohl der Verstand einer Fee analytisch arbeitet, erkennt sie oft die Grenzen nicht, bis es zu spät ist. Feen sind von Menschen fasziniert wie von einem wissenschaftlichen Objekt, das sie niemals völlig verstehen können, weil es ihrer Logik zuwider handelt.


Auch Menschen sind von den Feen fasziniert. Ihre kalte Schönheit, ihre Makellosigkeit, ihre Macht. Es gibt vielfältige Gründe, weswegen sie die Spiegel öffnen und das Feenvolk einladen, die Tore zu durchschreiten, die zwischen dem Reich der Sonne und dem des Mondes geblieben sind. Geschenke des Herrn der Schatten an seine Kinder, Lücken, die es ihnen erlauben, ihre Sehnsucht zu stillen, bevor sie in ihre Welt zurückkehren müssen. Denn er kann den Bann der Hüterin des Lichts nicht brechen, doch in der Nacht, wenn Atharys ihm gehört, erlaubt er seinen Geschöpfen, unter den Menschen zu wandeln. Denn schließlich ist sein Sohn ebenso Schatten wie Licht, Sonne wie Mond. Was einst zusammengehört hat, kann niemals völlig getrennt werden. Und so ziehen auch Feen und Menschen einander für alle Zeit an, getrennt und doch von einer Art.


Hohe Feen sammeln ihr Gefolge in Höfen um sich und erschaffen sich ein eigenes Reich nach ihrer Vorstellung. Es gibt keine Grenzen für sie, nichts, das unmöglich wäre, weil sie mit der schöpferischen Kraft des Feenkönigs gesegnet sind, wenngleich sich diese niemals über seinen Willen hinwegsetzen kann. Er allein besitzt die endgültige Macht über das Feenreich. Jeder Baum, jede Pflanze beugt sich seinem Willen und niemand kann erschaffen, was er nicht gestattet.


In der Menschenwelt ist die Macht einer hohen Fee geringer. Feenzauber verblasst mit dem Licht der Sonne. Sobald sie berührt, was eine Fee aus ihrer Magie erschaffen hat, zerfällt ihr Werk zu Staub und nichts bleibt davon zurück. Allein das Werk des Feenkönigs ist davon ausgenommen, denn er war der Herr über Atharys, bevor seine Mutter ihn in die Verbannung gesandt hat. Und noch immer gehorcht die Welt seinem Willen.


Der Körper einer Fee regeneriert sich aus den Strömen der Magie und so ist sie nicht gezwungen, Nahrung zu sich zu nehmen. Sie kann es jedoch und tatsächlich imitieren Feen die Feste und Bankette der Menschen auf eine befremdliche und sehr eigentümliche Weise. Da Feen Menschen aufgrund ihrer fehlenden Gefühle nur rudimentär verstehen können, ist ihre Interpretation von deren Gepflogenheiten oftmals eigenwillig. So sind die Speisen auf ihren Tafeln hübsch anzusehen, doch nicht unbedingt für einen Sterblichen genießbar. Feenzauber verbirgt die wahre Natur dessen, was die Diener auftragen und die Gäste scheinen es zu genießen - aber ihr fehlender Geschmackssinn lässt es den Feen gleichgültig werden, was sie konsumieren.


Die Gesellschaft der Feen basiert auf einer verdrehten Imitation der Menschenwelt, weil sie selbst sich niemals eine eigene Kultur erschaffen haben. Sie spiegelt das wider, was die Feen zu sehen glauben, mutet jedoch skurril und fehlerhaft an. Dies beginnt bei der Kleidung und endet bei allerlei Zeremonien, die abgehalten werden, ohne einen Sinn erkennen zu lassen. Womöglich mag eine Feen-Adelige es als kleidsam erachten, wenn lebendige Spinnen von ihrer kunstvollen Frisur baumeln. Doch in den Augen eines Menschen wirkt es vermutlich abstoßend.


Ein Lachen ist zu schrill, Gesang misstönend oder ohne jedes Gefühl, eine Zeremonie eher eine Karikatur. Aber Feen bemerken es nicht. Sie imitieren, was sie sehen, aber begreifen es nur äußerlich.


Feen fürchten die Berührung von Eisen. Es erinnert sie an die Kälte in ihren Herzen und bereitet ihnen starken Schmerz. Noch schlimmer wird es, wenn sie das magisch verstärkte Feeneisen berühren oder wenn es sie gar durchbohrt. Es schmerzt sie so stark, dass sie sich nicht mehr rühren können und lässt ihre Körper gefrieren.


Gewöhnliche Waffen vermögen es nicht, eine hohe Fee zu töten, doch sie wird von der Sonne verbrannt, sobald man sie ihrem Licht aussetzt. Das Sonnenlicht ist der wahrhaftige Tod einer Fee. Wer sie in Feeneisen fängt und wartet, bis der Tag anbricht, kann sichergehen, dass sie für alle Zeit von dieser Welt verschwindet.


Die Verlockungen des Feenreiches sind vielfältig und so ignorieren viele Menschen die Gefahr, die sich darin verbirgt. Sie versuchen, die Feen mit Ritualen zu rufen oder stolpern unverhofft über ein Feengesicht in einem Spiegel oder auf einer spiegelnden Oberfläche. Solche Gelegenheiten enden selten gut für den Sterblichen, insbesondere dann, wenn der Feenzauber seine Sinne benebelt.


Hohe Feen locken Menschen hinter die Spiegel und verzaubern sie in einem solchen Maß, dass sie für die Fee sterben würden, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden. Die Verbindung ist dann so stark, dass die Fee den Sterblichen gleichsam als Spiegel benutzt. Was immer er empfindet, wann immer er auf etwas reagiert, saugt sie seine Gefühle auf, als würde sie selbst sie durchleben. Solche Spiegel sind so stark auf die Fee eingestellt, dass sie geistig beinahe mit ihr verschmelzen. Sie sind wie ein Fühler, der einer Fee zeigt, wie sie auf eine Situation reagieren soll. Doch sie besitzen keinen eigenen Willen mehr und das Mondreich lässt sie bald verwittern. Schlechte Nahrung, kein Sonnenlicht, kein Gefühl mehr für die eigene Gesundheit und Gesellschaft, die nicht in der Lage ist, ihre Bedürfnisse zu verstehen. Den wenigsten Opfern einer hohen Fee ist ein langes Leben beschieden. Wer sich eine Begegnung mit einer wahrhaftigen Fee erträumt, ist gut beraten, dieser niemals ohne Eisenwurzel gegenüber zu treten. Das bitter duftende Kraut mit den kleinen weißen Blüten hält den Geist klar und sorgt dafür, dass Feenzauber nicht auf die Sinne wirken kann.