Der Feenkönig

Nur er war geblieben. Dem Ruf des Mondes trotzend, um bis zum Sonnenaufgang auszuharren, wie er es immer tat. Es war, als wollte er die Sonne herausfordern, ihn zu verbrennen. Als wollte er dem Licht des Tages zeigen, dass er es nicht scheute. Dass er nicht vor ihm davonlaufen würde wie sein Volk. Dass er stärker war als die Göttin, die ihn verflucht hatte. Es war der Krieg, den er gegen sie führte. Als wollte er ihr ins Angesicht blicken und ihr beweisen, dass sie ihn nicht gebrochen hatte. Sein rotes Haar wehte wie eine Flamme in der Brise, die zu sacht war, um es zu bewegen. Doch es war, als würde der Wind ihn zu jeder Zeit umgeben. Als würde er nach ihm suchen und die Feuer in seinem Inneren anfachen.

Der Herr der Wünsche, König des Mondreiches. Von vielen gefürchtet und dennoch von einer solchen Faszination für die Menschen, dass sie es nicht lassen können, seine Anwesenheit zu beschwören.


Drei Mal muss man nach ihm rufen, im Angesicht eines Spiegels oder einer spiegelnden Fläche. Das erste Mal in der Nacht des Neumonds, wenn der Schleier zwischen den Welten am dünnsten ist. Das zweite Mal bei Vollmond, wenn der Mond seine größte Kraft besitzt. Und schließlich ein letztes Mal in der Nacht des nächsten Neumonds.


Erst dann erscheint der König des Feenreiches - oder er entsendet einen seiner Untertanen an seiner statt.


Gewährt der Feenkönig ihr die Macht, vermag eine Hohe Fee, die tiefsten Wünsche zu erfüllen, die dem Herzen eines Sterblichen entstammen. Doch keine ist so mächtig wie der König der Feen. Und niemand verlangt einen höheren Preis für den Handel, um den ein Sterblicher ihn ersucht. Er schenkt ewige Jugend und blendende Schönheit. Reichtum und Ruhm. Eine Stimme, die zu Tränen rührt, so überirdisch schön, dass sie betört und verführt. Aber niemals gibt er ohne Gegenleistung. Und wer sie nicht erbringt oder glaubt, dass er ihn betrügen kann, erweckt unwiderruflich seinen Zorn. Letztlich bezahlt jeder den Feenkönig. Auf die eine oder andere Weise. Es gibt keinen Weg, ihm zu entrinnen oder sich vor ihm zu verstecken.

»Magie gehört nicht in die Hände der Menschen. Wer sie missbraucht, muss dafür bezahlen. Es ist nicht an mir, mich über die Gesetze der Götter hinwegzusetzen.« Er lächelte bitter und sie verachtete sich dafür, dass sie sich zurückwünschte, was sie einst besessen hatten. »Ich habe dir gegeben, was du dir ersehnt hast und du hast unseren Pakt nicht erfüllt. Gib mir nicht die Schuld an den Folgen.«

Kein Mensch könnte jemals so beeindruckend erscheinen wie der Feenkönig. Makellos gekleidet und mit dem eleganten Gehstock, dessen Handstück von einem Drachenkopf geziert wird. Das Haar flammend rot wie Feuer, ein Auge golden wie die Sonne, das andere blau wie ein eisiger Saphir. Niemand weiß, was er mit ihnen sehen mag.


Gerät er in Zorn, verwandeln sich seine Pupillen in Schlitze und seine scharfen Eckzähne offenbaren sich. Denn tief im König der Feen schlummert eine Bestie, die zum Vorschein kommen kann, wenn man sie reizt. Und keine Kreatur ist rachsüchtiger oder leidenschaftlicher als er. Doch ebenso ist kein Geschöpf dieser Welt von derselben Sehnsucht erfüllt. Nach der Welt der Sterblichen, die für ihn verloren ist. Der Wärme von Gefühlen, die es im Mondreich nicht gibt. Und dem Licht der Sonne, die er nie mehr mit seinen eigenen Augen erblicken darf.