Samanhar

Der Tiger, der Löwe und der Drache

Endlich vermochte sie, ihn vollständig zu sehen. Den hochgewachsenen Mann mit den schwarzen Locken, in denen rötliche Lichter schimmerten. Die kostbare, mit fremdartigen Symbolen bestickte Robe, die wenig von seiner gebräunten Haut offenbarte. Und … das Messer, das zwischen seinen Schulterblättern steckte. Ein wahrhaftiger Geist! Sie schluckte hart. Sein Blick war auf den Vogel fixiert und er wandte ihr das Profil zu. Die leicht gebogene Nase eines Südländers, den spitzen Bart, den die Männer in Samanhar trugen.

Arijsthan

Herrscher: Salahin, der Löwe

Wappen: Der goldene Löwe auf rotem Grund

Hauptstadt: Amhari

Bagharam

Herrscher: Sultanin Rashira, die weiße Tigerin

Wappen: Der brüllende Tiger auf smaragdgrünem Grund

Hauptstadt: Mharani

Ajaghar

Herrscher: Sultan Mahir, der Drache

Wappen: Der goldene Drache auf Himmelblau

Hauptstadt: Abharat



Größte Stadt des Reiches: Alharam


Samanhar, das Land des ewigen Sommers, das Herz der Sonne. Reich der goldenen Wüste und der schattigen Dschungel. Kein Land Atharys’ besitzt ein heißeres Klima als dieses oder zeigt eine ebensolche Vielfalt.

Die Fläche von Samanhar ist riesig, allein Gatalija kann mit ihr konkurrieren. Und sie teilt sich in drei Reiche auf. Das Reich des Tigers, das des Löwen und das des Drachen. Magie fließt in den Adern jedes einzelnen von ihnen. So fließt Dschinnblut in den Adern der Löwen. Das Blut starker Magier, die jedoch die Laster ihrer Ahnen teilen. Tierblut verleiht den Tigern von Bagharam ihre Stärke, während die Drachen von Ajaghar sich rühmen, von wahrhaftigen Drachen abzustammen, wenngleich sich dies nur noch in einer leichten Schuppenzeichnung an den Wangen und einem Talent, das Feuer zu beherrschen, bemerkbar macht.


Für eine lange Zeit haben die Löwen von Arijsthan allein über das geeinte Land regiert, bis die Tiger von Bagharam gegen ihre Herrschaft aufbegehrt haben. Die Löwen haben sich über Jahrzehnte die Einigkeit Samanhars mit eiserner Hand erkämpft und die vorher zersplitterten Stämme der Wüste geeint. Doch nicht alle haben die Eroberer akzeptiert und ihre Heimat aufgegeben. Widerstand ist im Verborgenen gewachsen, bis das Geschlecht der Tiger stark genug war, sich ihr Territorium zurückzuerobern. Und schließlich ist auch der Drache aus den Schatten getreten. Das Volk des Feuers, das die Unaufmerksamkeit der Kämpfenden ausgenutzt hat, um die Macht über ihre Heimat wieder an sich zu reißen.


Jetzt ist Samanhar in drei Reiche zersplittert, die einander nicht wohlgesonnen sind. Und jedes von ihnen trachtet danach, die Oberhand über die anderen zu erlangen. Es ist ein ständiges Belauern und Intrigieren, ein dauernder schwelender Kampf, der ebenso offen wie im Verborgenen ausgetragen wird.


Samanhar ist ein Land reicher Schätze. Gold- und Edelsteinmienen haben dafür gesorgt, dass die Sultane ein sorgloses Dasein in ihren prunkvollen Palästen fristen. Dasselbe lässt sich jedoch nicht über die einfache und oft arme Bevölkerung sagen, die keineswegs die Vorteile des Adels teilt. Die überfüllten Gassen der Städte Samanhars sind sandig und staubig, Beutelschneider sind ebenso häufig wie Marktschreier, die lauthals ihre Waren anpreisen. Dressierte Affen sind geschickt darin, Diebe zu unterstützen, und die Unterwelt Samanhars, in der sie sich herumtreiben, ist ein düsterer Ort, an dem eine Lösung für jedes Problem gefunden werden kann - wenn der Suchende genügend Gold sein Eigen nennt.


Samanhar ist ein Land starker Magie und so werden auf den Märkten eine Vielzahl angeblich magischer Objekte angeboten, die von Talismanen bis hin zu Teekannen reichen, in denen der Tee niemals kalt wird. Nicht alle davon besitzen einen Nutzen und die meisten sind kaum mächtig zu nennen, lediglich von Dschinnmagie berührt. Doch gelegentlich gibt es auch ein wertvolles Artefakt zu entdecken, wenngleich diese gewiss nicht offen angeboten werden.


Weit über die Grenzen des Landes bekannt sind auch die Gewürzmärkte von Bagharam. Jene von duftenden Säcken gefüllten Stände, auf denen die kostbaren Erzeugnisse des Landes verkauft werden. Häufig wird die aromatische Ware von den Häfen aus in alle Länder von Atharys verschifft, um dort die Speisen zu verfeinern.


Die winzigen Läden in den Hinterhöfen der Städte beherbergen oftmals die Geistersängerinnen Samanhars, jene Frauen, die besondere Dienstleistungen anbieten. So können sie die Geister der Verstorbenen rufen und sie dazu bringen, Flüche von ihren Opfern zu nehmen, ebenso wie dunkle Geistersängerinnen diese dazu bringen können, sich an ein armes Opfer zu heften und Unglück über jenes zu bringen. Es sind gefährliche Frauen, die Hexen Samanhars, die stets von einer unheimlichen Aura umgeben werden und diese durch ihr Aussehen noch fördern.


Samanhariten sind gesellige Menschen, die oft in Teehäusern zusammen kommen, um Sängern und Erzählern zu lauschen, und gemeinhin ein offenes Naturell besitzen. Viele von ihnen vertreiben sich die Zeit mit Wetten bei den beliebten Kamelrennen, die beinahe jede Stadt regelmäßig veranstaltet. Diese sind die seltenen Gelegenheiten, zu denen der Adel und die einfache Bevölkerung zusammenkommen und bei denen die Grenzen zwischen den Ständen verschwimmen.


Darüber hinaus ist Samanhar für die Harems der Sultane bekannt und dafür, dass Männer häufig mehr als eine Gemahlin besitzen. Allein die Tiger von Bagharam lehnen diese Tradition ab und behandeln beide Geschlechter gleich. Die Frauen der Bagharami sind gefürchtete Kriegerinnen, die ihren Männern in nichts nachstehen - und die sich niemals in einen Käfig stecken lassen würden. Wahrscheinlicher ist, dass sie sich selbst einen Harem voller Ehemänner halten, als dass sie sich einsperren lassen.


Alharam

Die Freie


Alharam, die Freie. Die Stadt der Gleichheit. Und die größte Stadt von ganz Samanhar. Alharam ist eine lebendige Metropole. Prachtvoll und schmutzig, lebhaft und gefährlich. Es heißt, wer sie betritt, kann den Herzschlag von Samanhar spüren und tatsächlich - kein zweiter Ort verkörpert alles, wofür dieses Land steht, in einem solchen Maße.


Alharam wird von keinem der Sultane Samanhars beherrscht. Jeder von ihnen strebt danach, aber der Löwe, die Tigerin und der Drache wissen nur zu gut, dass der Versuch, Alharam zu erobern, in einem Blutbad enden würde - denn keine Partei würde zulassen, dass die Freie unter das Banner eines anderen gerät. Alharam wäre das Symbol eines endgültigen Sieges, einer einheitlichen Herrschaft. Eine Trophäe, mit der jeder sich schmücken möchte. Und deswegen bleibt sie frei und unterwirft sich keinem Gesetz. So frei, wie es ihre Väter gewünscht haben. Zudem munkelt man, dass die Stadtväter dafür gesorgt haben sollen, dass Alharam niemals eingenommen werden kann. Doch auf welche Weise dies geschieht, ist wohl das größte Geheimnis dieser Stadt - neben dem Standort von Alharams unterirdischen Schatzkammern, die auf magische Weise versiegelt sein und von einem unsterblichen Hüter bewacht werden sollen, dessen Identität niemand kennt.


Alharam wurde von einem Zirkel mächtiger Dschinnmagier gegründet, die als der maskierte Rat in die Geschichte der Stadt eingegangen sind. Diese zwölf Magier wollten einen Ort erschaffen, an dem es nicht von Bedeutung ist, als was man geboren ist. Einen Flecken, an dem jeder sein kann, was er sein möchte, ohne dass ihm die Grenzen von Geburt oder Geschlecht im Wege stehen. Und dieser Grundsatz hat sich bis heute gehalten. Wer nach Alharam kommt, gibt damit auch sein altes Leben auf. Ob er König oder Bettler gewesen ist, spielt keine Rolle mehr. Allein seine Taten bestimmen seinen Wert.


Niemals sollte nach dem Willen der Stadtväter ein König über Alharam herrschen und so hat sich die Tradition des maskierten Rates bis heute gehalten. Seine Mitglieder treffen in der weithin sichtbaren goldenen Ratshalle zusammen, die in der Mitte der Stadt zu finden ist. Jenes kreisförmige Gebäude, in dem jede wichtige Entscheidung über das Schicksal dieser Stadt getroffen wird. Ein runder Tisch bildet ihr Zentrum - der Ratstisch, an dem die Maskierten Platz nehmen, die jedes Jahr auf geheime Weise von ihren Vorgängern berufen werden. Ein Medaillon erscheint über Nacht am Hals des Berufenen. Ein Abzeichen, das allein von den Mitgliedern erkannt werden kann und das nach Ablauf der Dienstzeit von allein wieder verschwindet, sobald ein Nachfolger ernannt ist. Das Medaillon ist der Schlüssel zur Kammer der Roben, in der die violetten Gewänder mit den Masken zu finden sind, die bei den Ratsversammlungen getragen werden. Dort legtMaskierte allein seine Roben an - um von einem einfachen Bürger der Stadt zu einem Mitglied des Rates zu werden.


Der Rat von Alharam ist neutral, aber es ist gewiss, dass seine zwölf Mitglieder stets die unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen der Stadt repräsentieren und somit jede mit einer Stimme vertreten ist.


Natürlich hat Alharam eine Vielzahl unterschiedlicher Bewohner angezogen. Seien es Unterdrückte, jene, die nach einem neuen Leben suchen und ihre Vergangenheit vergessen möchten, Geflohene, Sklaven oder lichtscheues Gesindel, das aus irgendeinem Grund seine Heimat verlassen musste. Entsprechend ist Alharam wie ein Schmelztiegel aller Kulturen Samanhars. Dies zeigt sich bereits in den Bauwerken der Stadt, die keiner einheitlichen Richtung folgen, sondern die Baustile des ganzen Wüstenreiches vereinen. Und so wirkt Alharam wie ein Querschnitt aus den Städten Samanhars. Den weitläufigen sandfarbenen Dachterrassen Bagharams, den prachtvollen Kuppelbauten Arijsthans und den leuchtenden Farben von Ajaghar.


Weitläufige Marktplätze dominieren das Stadtbild mit ihren farbenprächtigen Ständen, unzähligen Gerüchen und dem Stimmengewirr, das erklingt, bis die Sonne untergeht. Dann wechselt das Geschehen und die Nachtmärkte öffnen in einem Meer aus bunten Laternen. Dort werden magische Gegenstände angeboten, Kräutermischungen mit absonderlichen Wirkungen, seltene Zauberbücher - und so mancher wertlose Tand, der mehr verspricht, als er halten kann. Schlangentänzerinnen zeigen ihre Kunst, aus vielen Ecken erklingt Musik, es wird getanzt und gemeinsam gesungen, Beutelschneider sind auf Beute aus. Und auch die Geschichtenerzähler kommen mit jenen zusammen, die geisterhafte Legenden aus allen Teilen Samanhars zu hören wünschen, die sie oft bis ins Bett begleiten und ihnen einen ruhelosen Schlaf bescheren.


Jedes Jahr zu Beginn des Wüstensommers findet in Alharam das Fest des Feuers statt. Eine Festlichkeit, die sich über drei Tage und Nächte zieht und während der an allen Ecken der Stadt Darbietungen gezeigt werden. Feuerkünstler erwecken bei Nacht das Zeitalter der Dschinn zum Leben und zeigen Magie am Himmel. Sternregen, fantastische Kreaturen, die über die Stadt fliegen, Teppiche aus Funken, die durch die Wolken sausen, Feuerschiffe, die im Hafen einlaufen und über den Te’mhur davonsegeln. Es ist ein stets unvergessliches Erlebnis, das viele Besucher anzieht und bei dem die Arena von Alharam mit Wettkämpfen der besten Schwertkämpfer Samanhars aufwartet, die aus allen Teilen des Landes anreisen, um das üppige Preisgeld einzustreichen.


Ohnehin ist dieses riesige Rund mit den unzähligen Rängen eines der Bauwerke Alharams, das an jedem Himmelstag bis auf den letzten Platz besetzt ist. Immer dann, wenn dort Rennen, Schaukämpfe oder Schauspiele stattfinden, um das Volk Alharams zu unterhalten - das nur allzu leidenschaftlich wettet, wann immer sich eine Gelegenheit bietet.