Caspricea

Die Feuerinsel

»Ihr versteht also mehr von den Bedürfnissen einer Frau?«, fragte Sofea mit einem widerwilligen Schmunzeln.

»Gewiss. Ich habe sieben Schwestern.«

»Und an jedem Finger eine Geliebte noch dazu?«

Der Fyrling lachte schallend auf und wackelte mit den Fingern seiner freien Hand. »Ihr habt mich durchschaut, Sera. Eine für jeden Tag des Mondviertels.«

»Ein Mondviertel hat sieben Tage. Wofür braucht Ihr die restlichen drei?«

Der Fyrling neigte sich verschwörerisch nach vorn. »Ich liebe die Abwechslung.«



Herrscher: Der Große Rat

Wappen: Die goldene Steinrose auf rotem Grund

Hauptstadt: Salagra


Die roten Felsen von Caspricea sind eines der wohl beeindruckendsten Merkmale dieses Inselstaates. Städte und Dörfer sind in den Fels gebaut und erheben sich häufig mit ihm in schwindelerregende Höhen. Die Bewohner Caspriceas bewegen sich mühelos auf den engen, gewundenen Straßen und Gassen zwischen den Felsen, was ihnen von außerhalb nicht selten die spöttische Bemerkung einträgt, mit Bergziegen verwandt zu sein. Die Caspricen lachen darüber - vor allem dann, wenn ein Besucher einmal mehr über seine eigenen Füße stolpert und außer Atem sein hoch gelegenes Ziel erreicht.


Caspricea ist leuchtende Farbe und glühende Hitze. Beinahe jedes der Steinhäuser auf der Insel ist mit bunten Farben bemalt und trägt verschlungene Muster auf seiner Fassade. Schnitzereien zieren den Stein und bunte Banner wehen zwischen den Häusern. Sie sind ein Hinweis auf ein lebensfrohes, leidenschaftliches Volk und tatsächlich werden die Caspricen diesem Eindruck gerecht. In Caspricea wird laut gestritten und leidenschaftlich geliebt. Geschirr fliegt aus den Fenstern und landet auf den Straßen, wenn eine schimpfende Caspricin ihren Gemahl aus dem Hause jagt und Duelle sind keine Seltenheit. Kein Casprice duldet eine Beleidigung. Das streitbare Volk gerät rasch in Zorn und ist nicht leicht wieder zu beruhigen.


Auch in anderen Bereichen zeigt sich die Lebensfreude und Leidenschaft der Caspricen. Sie lieben den Tanz und feiern laut und fröhlich. Musik hallt durch die Gassen, wenn eines der Feste gefeiert wird, die oft über Tage andauern, und die Tische biegen sich unter verführerischen Speisen. In Caspricea weiß man Genüsse zu schätzen - in jeglicher Hinsicht und von jeder Art. Seien es Leckereien oder die Liebeskunst - ein Casprice ist ein wahrhaftiger Experte darin.


Die Fechtkunst wird in Caspricea groß geschrieben. Beinahe jede Familie besitzt ihre eigenen Kniffe und die Fechtschulen der Insel sind weit über ihre Grenzen hinaus bekannt. Wer in Caspricea das Fechten lernt, ist ein Meister im Umgang mit seiner Waffe. Es gibt beinahe keinen Sohn einer caspricischen Familie, der sich nicht darauf versteht - während es nicht gern gesehen wird, wenn eine Frau zur Klinge greift.


Die Caspricen sind traditionsbewusst und bis zu einem gewissen Maße altmodisch. Tatsächlich ist es einem Caspricen erlaubt, bis zu drei Gemahlinnen sein Eigen zu nennen. Eine Tradition, der jedoch nicht jeder Casprice folgt - denn diese Gemahlinnen möchten versorgt werden und ein sorgenfreies Leben führen. Nimmt sich ein Casprice eine Gemahlin, so ist es seine Pflicht, jede Sorge von ihr fernzuhalten und für ihr Auskommen zu sorgen. So verwundert es nicht, dass sich der alte Brauch nur noch in den Reihen des Adels einer größeren Beliebtheit erfreut.


Auch die Frauen der Caspricen dürsten deutlich stärker nach Freiheit. So sind die caspricischen Gemüter derzeit in heller Aufregung über eine erste Fechtschule für Frauen, die in der Hauptstadt Salagra gegründet worden ist. Nicht wenige traditionsbewusste Caspricen sind von dem Gedanken an fechtende Frauen in Beinkleidern entsetzt und fordern den Großen Rat auf, diese verbieten zu lassen. Bislang jedoch noch ohne Erfolg.


In Caspricea gibt es seit geraumer Zeit keine Könige mehr. Seit dem Fall des verschwendungssüchtigen Königs Thiamo vor gut hundert Jahren, dem blutige Aufstände vorausgegangen sind, regiert der Große Rat von Salagra den Inselstaat. Dieser bildet sich aus den alten Familien des Adels, die nach Thiamo die Verantwortung über die Insel übernommen haben und es zu verhindern wissen, dass ein neuer König die Macht ergreift. Die Blutlinie der caspricischen Könige gilt als ausgelöscht - ob dies der Wahrheit entspricht, gerät jedoch immer wieder in Zweifel.


Viele Caspricen sind nicht völlig überzeugt davon, dass der Rat wirklich allein die Interessen der Insel vertritt. Die Ratsfamilien sind mächtig und werden stetig reicher, während die ärmere Bevölkerung dafür die Taschen leeren muss. Der Gedanke, dass das Leben unter der Herrschaft des Königshauses besser war, liegt für viele nahe. Und so wird das Gerücht, dass nicht alle Königskinder bei den Aufständen den Tod gefunden haben, nicht leiser. Würde ein neuer König aus Thiamos Linie die Zustimmung des Volkes finden? Es ist nur zu wahrscheinlich.


Im Blut eines Caspricen lodert eine Flamme, die als Paërons Gabe angesehen wird und die sich manchmal sogar als wahrhaftige magische Kraft entpuppt. Einige Caspricen sind in der Lage, Feuer zu beschwören. Ein Talent, das insbesondere in den adeligen Familien noch stark auftritt, die sich selten mit der einfachen Bevölkerung vermischt haben. Paërons Gabe ist auf die Ursprünge Caspriceas zurückzuführen. Auf jene Kreaturen mit den Ziegenhufen und Löwenschwänzen, deren Abbild man noch heute auf alten Wandmalereien finden kann und die Caspricea als Erste besiedelt haben - Fyrlinge. Ihr Erbe mag heute dünn und verwässert sein, ihre Merkmale sind längst geschwunden. Und doch loderte ihre Flamme nach immer in den Herzen ihrer Nachkommen.


Salagra

Die Steinrose


Der betörende Duft der Steinrose hängt zu jeder Tageszeit über Salagra. Jenes strauchartigen Gewächses, das zum Wahrzeichen Capriceas geworden ist. Ihre Blüten überwuchern die roten Felsen und tauchen sie in ein Farbenmeer aus glühendem Rot und Orange, reinem Weiß und zartem Rosa. Salagra erhebt sich direkt am Meer. Eine Ansammlung aus den bunt bemalten Steinhäusern der Caspricen, die sich an den roten Felsen schmiegt. Die Gassen Salagras sind eng, je weiter die Stadt ansteigt. Und über ihr wacht der beeindruckende Königspalast von Caspricea, heute die Hallen des Großen Rates.


Die Caspricen verstehen sich auf die Baukunst und Salagra gibt ein sehenswertes Zeugnis davon ab. Die Plätze mit den bunten Mosaiksteinen, die Steinbauten aus zierlichen Säulen, faszinierenden Türmen und ausgeklügelten Mustern - Salagra verschlägt jedem Besucher den Atem, der sie zum ersten Mal betritt. Schiffe schaukeln am Hafen und tragen die Waren des Landes in den Rest von Atharys. Feine Düfte und Gewürze, edle Waffen und die bestickten Stoffe, die sich auf der Insel großer Beliebtheit erfreuen.


Es heißt, dass Salagra die besten Fechtwaffen herstellt, die es auf dieser Welt zu erwerben gibt. Und tatsächlich ist jede ein kostbarer Schatz. Die Waffenschmiede verstehen sich darauf, sie nicht nur perfekt und präzise herzustellen, sodass sie zu einer Verlängerung des Armes werden. Sie versehen sie auch mit einer Schönheit, die ihresgleichen sucht. Und so verwundert nicht, dass jeder, der er sich leisten kann, nach Salagra kommt, um eine Waffe von den hiesigen Schwertschmieden zu erwerben. Und dass diese sich sehr genau aussuchen, an welchen Fremden sie ihre Kunst verkaufen.


Die Faszination für Waffen endet allerdings nicht bei Klingen. Die Caspricen sind von Feuer fasziniert. Die Flamme lodert in ihren Herzen und schenkt ihnen ein Talent für den Umgang damit. Also gibt es in Salagra auch die berühmten Pistolenbauer und eine Reihe von sehr begabten Schützen, die sich darauf spezialisiert haben, jedes Ziel zu treffen, das sie ins Auge gefasst haben. Die Klingenschmiede sehen diese Konkurrenz nicht sonderlich gern und blicken verächtlich auf die Feiglinge, die sich davor scheuen, sich einem Zweikampf zu stellen. Es ist ein wenig wie ein Konflikt zwischen den Generationen, zwischen alten Traditionen und einem frischen Wind, der über die Insel weht. Und gewiss ist dies ein Konflikt, der sich im Moment ohnehin in Salagra ausbreitet.


Salagra ist in Bewegung. Über das Meer gelangen neue Strömungen in die Stadt und das Denken der jüngeren Generationen weicht mit und mit von festen Traditionen und Gebräuchen ab, die in anderen Teilen der Insel noch fest verwurzelt sind. Die Salagresen sind offener für Neues als der Rest von Caspricea und so sind es vor allem auch die Frauen, die sich hier von einem Leben für ihren Gemahl abwenden und nach Freiheit dürsten. Freiheit, wie sie die Frauen in anderen Teilen der Welt längst genießen dürfen - eigene Geschäfte, eine eigene Existenz. Natürlich erfahren sie Widerstände, aber es gibt keinen Zweifel daran, dass der Wind sich drehen möchte.


Eine Tradition, die jedoch auch nach Absetzung der Könige geblieben ist, ist der Königliche Wettstreit im Fechtkampf. Die Fechtkampfschulen des Landes entsenden ihre besten Schüler hinauf zum alten Königspalast, wo diese gegeneinander antreten und um den Namen der besten Fechtschule Caspriceas streiten. In früheren Zeiten wurde der Sieger zur offiziellen Fechtschule der Könige ernannt, die fortan auch die Prinzen Caspriceas in der Fechtkunst unterweisen durfte. Heute ist es eher eine Ehre, die jedoch dafür sorgt, dass es der Fechtschule nicht an Schülern und finanziellen Mitteln mangelt.


Dass vor dem Großen Rat momentan die Fechtschule von Doma Lunia darum kämpft, mit ihren weiblichen Schülern an diesem Wettkampf teilzunehmen, ist für viele eine Unverfrorenheit, die sich allen Bräuchen widersetzt - für viele Frauen der Stadt allerdings ein symbolhafter Kampf und ein Zeichen dafür, dass sie in vielen Bereichen ebenso bestehen können wie Männer. So kann die streitbare Doma Lunia sich nicht über Zulauf und Unterstützung beklagen - auf der anderen Seite gibt es aber auch viele Gegner, die sich ihr in den Weg stellen wollen und die nicht davor zurückschrecken, sich dunkler Taten zu bedienen, um ihren Siegeszug aufzuhalten.


Die Aufstände gegen König Thiamo haben in Salagra viele Narben hinterlassen. Viele Bauwerke haben Schaden genommen, einige Statuen Gliedmaßen eingebüßt. Noch heute ist der Große Rat damit beschäftigt, die Spuren zu beseitigen und oftmals resultiert dies darin, dass mit und mit alle Statuen der alten Königsfamilien aus Salagra verschwinden. Nicht alle Teile der Bevölkerung sind glücklich damit. Es gibt Unmut gegen den Rat, der die Vergangenheit der Salagresen auslöscht. Unmut gegen den Adel, der seinerzeit die Aufstände angezettelt und Thiamos Schwäche dafür genutzt hat, das Volk aufzustacheln. Denn letztlich hat dieser sich kaum als besser erwiesen als der verschwendungssüchtige König.