Hexen

Worte der Macht

Manche der Bücher waren länger als Alyseas Unterarm, ihre Einbände so exotisch in der Wahl ihrer Materialien, dass sie schauderte. Reptilienhaut, schuppig und in allen Farben schillernd, wenn das Licht darauf fiel. Seltsam goldenes Fell. Leder, das voller Narben war, merkwürdig pergamentartig. Die Aura der Magie, die zwischen den Seiten schlummerte, war greifbar. Eine leise Melodie schien durch die Luft zu schweben. Gesang. Unwillkürlich hob Alysea die Hand, um über den Rücken des blau-silbernen Buches zu streichen, das wirkte, als hätte man es mit Fischhaut überzogen.

Öffne mich …

Ein Flüstern in ihrem Geist. Sie fuhr über die silbern geprägte Schrift, fremdartige Symbole, die sie nicht kannte.

»Alysea! Berühr es nicht!«, warnte Meister Aemilan scharf. »Manche sind mit Zaubern versehen, die dir den Verstand rauben, noch ehe du die erste Seite aufgeschlagen hast. Und dieses ist eines davon.«

Magie strömt durch jeden Winkel von Atharys, aber allein die Hexen haben es vermocht, sie sich Untertan zu machen. Die Dämonen waren ihre Lehrmeister. Sie haben ihnen beigebracht, die Ströme der Magie zu lenken und die Alte Sprache des Dämonenreichs zu gebrauchen. Worte, in denen Macht schlummert, Zeichen, in die Magie gebannt wird. Sie rufen die Magie herbei und bringen sie in die Form, die von den Hexen gewünscht wird. Formeln, Rituale, Magie in uralten Zauberbüchern. Manchmal harmlos und dafür geschaffen, die Gesetze der Natur zu biegen, ohne sie zu brechen. Manchmal jedoch auch dunkel und gefährlich, so verdorben, dass die Hexen sie verboten und gebannt haben.


Jede Hexe beschreitet ihren eigenen Pfad, jede entscheidet selbst darüber, wie weit sie sich vom Licht entfernt und den Schatten verfällt. Und wer es tut, wird aus der Hexengemeinde ausgestoßen, seine Blutlinie vom Boden Atharys’ getilgt, auf dass ihr dunkles Erbe nie wieder Wurzeln schlagen kann.


Alle Hexen besitzen eine Affinität zu einem Element, dessen Beherrschung ihnen leichter fällt und werden in diesem besonders geschult. Dennoch beherrschen sie alle Elemente zu einem gewissen Maß und erlernen zu Beginn ihrer Ausbildung die Grundlagen der Magie.


Hexen gibt es auf ganz Atharys, doch ihr Ursprung liegt in Gemea. Dort existiert auch der oberste Hexenzirkel, die Grauroben, denen es obliegt, über die Magie zu wachen. Die Grauroben sind Richter und Vollstrecker. Sie bannen die Magie einer Hexe, wenn sie die Gesetze übertritt und sich den dunklen Mächten verschreibt, kontrollieren ihre Macht und ziehen gefährliche Bücher aus dem Verkehr. Wie alle Hexen Gemea sind auch die Grauroben an ihre Heimat gebunden. Ihr Arm reicht jedoch weit über Gemea hinaus. Es gibt eine Vielzahl kleinerer Zirkel, die über die Ströme der Magie wachen und Hexen jagen, die zu weit auf den Pfaden der Dunkelheit wandeln.


Wie stark die Macht einer Hexe ist, entscheidet ihre Blutlinie. Die Hexen von Gemea sind bekannt dafür, ihre Blutlinien durch geschickte Eheschließungen stark zu halten. Denn das Hexenblut wird dünner, wenn sich gewöhnliche Menschen hineinmischen und das magische Erbe erlischt mit und mit, wenn es nicht mehr genährt wird. Entsprechend gibt es viele Hexen, in denen nur noch ein geringer Anteil des Hexenblutes fließt. Diese verdingen sich als Kräuterhexen, verkaufen Tränke, Salben und Tinkturen, die mit Magie versetzt sind, ohne dass ihnen die wahre Macht des Hexenerbes offen steht.


Zudem sind die Hexen Gemeas ebenso von Seraphias Fluch betroffen wie die Schattenwandler. Sie fürchten das Licht des Mondes, seine Macht über ihren Geist, der Wahnsinn auslösen kann, wenn sie nicht nach jeder Vollmondzeremonie die Mondtränen eines Schattenwandlers zu sich nehmen. So verbannen die Hexen die Dunkelheit und das Mondlicht aus ihrem Leben. Ihre Paläste sind taghell erleuchtet und in der Nacht sperren dichte Vorhänge jede Spur des gefürchteten Silberlichtes aus, das ihre Seele raubt.


Hexenrituale

Alysea schloss das in Leder gebundene Zauberbuch, dessen Seiten mit ihrer Schrift gefüllt waren. Es war das ihre, in den Jahren ihrer Studien dicht mit Zaubern bestückt. Magie, die Schlaf hervorrief oder lähmte. Die schützte und verteidigte. Heilte oder verletzen konnte, wenn es nötig war. Sie ließ das Schloss des Buches zuschnappen und sprach den Befehl, der es verschließen würde. Ein winziges Aufflammen über der Schließe und niemand konnte es ohne ihre Erlaubnis öffnen.

Ein glühender Kreis brannte um das Zaubersiegel, das vor ihr auf dem Tisch lag. Sie nahm es an sich und spürte die Wärme der magischen Kraft, die sie in das Metall gebannt hatte, als sie es wieder um den Hals legte. Der Kreis erlosch und hinterließ eine geschwärzte, pulverige Linie auf der Tischplatte. Alysea fegte sie zusammen und ließ das verbrauchte Sonnenpulver in einen Lederbeutel rieseln. Dämonenmagie, die genutzt wurde, um komplexe Zauber in die Siegel zu transportieren und sich ihrer mit einem schlichten Befehl bedienen zu können. Sie würde die Cae’Angelis nicht verlassen, ohne vorbereitet zu sein. Doch das Weben der Magie hatte sie Kraft gekostet, die sie nicht besaß. Alysea fühlte sich benommen, als hätte man ihr in den Brautkammern den dünnen Ritualwein verabreicht. Alles war unwirklich, selbst ohne den fiebrigen Dunst, der ihre Sinne betäubte. Ein Fest, das niemand wollte und dem niemand mit Freude entgegensah, allein zum Gefallen des Zirkels ausgerichtet, um seinen Ränken zu dienen.




Erde, Wind, Wasser, Feuer. Licht und Schatten. Dies sind die Elemente der Magie, die von Worten der Macht berührt, geformt und gelenkt werden. Komplexe Formeln und Rituale werden genutzt, um sich die Ströme der Magie Untertan zu machen und die Hexen Gemeas haben gelernt, sich ihrer zu bedienen und Macht daraus zu schöpfen.


Magie fließt auch in ihren eigenen Adern. Sie ist der Schlüssel, der ihnen die Pforten zu einer Welt öffnet, in der alles möglich scheint. Eine Verbindung zu den Strömen, die sie nach ihrem Willen biegen. Jede Hexe hat eine besondere Bindung an eines der Elemente, die ihr die Beherrschung dieses Elements erleichtert. Nicht wenige von ihnen spezialisieren sich sogar darauf, dieses zu meistern und es in all seinen Facetten zu beherrschen. Die Magriae der Grauroben gehören zu diesen - Meister ihres Elements, denen kaum jemand gleichkommen kann. Andere schlagen einen anderen Weg ein, der vielfältiger ist. Zwar besitzen auch sie eine Präferenz, doch sie unterwerfen sich ihr nicht und streben danach, die Magie in ihrer vollen Breite zu beherrschen.


Die meisten Hexenzauber erfordern Formeln in der Alten Sprache der Dämonen, um sie auszulösen. Jede Hexe besitzt ein eigenes Zauberbuch, in dem sie ihre bevorzugten Zauber festhält, jedoch auch eigene Zauber oder Manipulationen aus ihren eigenen Forschungen, die niemandem sonst zugänglich sind, insofern sie diese nicht lehrt. Andere sind so komplex, dass sie Rituale erfordern, die sich aus Elementen oder Dingen nähren, die eine Hexe zu beschaffen gezwungen ist. So können dies Knochen einer Person sein, die lange verblichen ist, Klauen spezieller Geschöpfe oder eine Handvoll Erde eines bestimmten Ortes. Dies sind gemeinhin Zauber, die Zeit brauchen und auf keinen Fall über einen einfachen Befehl auszulösen sind. Manche sind gar so stark, dass eine einzelne Hexe sie nicht weben kann - dann ist ein Zirkel aus Hexen nötig, um die Macht eines solchen Rituals in der Welt zu entfesseln.


Magie braucht Zeit. Kein Hexenzauber lässt sich innerhalb eines Wimpernschlages wirken, wenn er nicht in ein Zaubersiegel gebannt wird. Eine der goldenen Ketten, die jede Hexe bei ihrem Eintritt in die Cae’Magriae erhält, gleichzusetzen mit dem Beginn ihrer Ausbildung nach einer Prüfung ihrer Fähigkeiten. Zaubersiegel können eine Anzahl Zauber verschiedener Stärken aufnehmen und diese mit einem schlichten Befehl auslösen, ohne dass sie mühsam gewoben werden müssen. Wird einer dieser Zauber benutzt, ist er jedoch verbraucht. Zudem braucht es Vorbereitung und eine gewisse Voraussicht der Hexe. Die meisten bannen eine gewisse Anzahl ihrer bevorzugten Zauber in ihre Zaubersiegel. Dies geschieht über Sonnenpulver, eine spezifische Substanz, die Magie in das Siegel überträgt.


Zaubersiegel bestehen aus einem besonderen Metall, das nur auf den ersten Blick wie Gold wirkt. Es ist selten und stammt aus der Zeit der Dämonenherrscher in Gemea - und so sind diese Ketten kostbar. Kostbar genug, dass sie bei Verscheiden der Hexe der Cae’Magriae zurückgegeben werden, damit man die darin enthaltenen Zauber unschädlich macht und die Siegel wieder einschmilzt, um sie anschließend neu zu formen und zu prägen. Es ist ein Verbrechen, das hart bestraft wird, ein Zaubersiegel zurückzubehalten und es nicht wieder dem Kreislauf zuzuführen, dem es entstammt. Allerdings hält es die Händler auf dem wahren Nachtmarkt nicht davon ab, diese zu beschaffen.


Jedes Zaubersiegel trägt das Wappen der Hexenfamilie, der es zugeordnet ist, und niemals kann es ohne Gefahr von einer fremden Hexe benutzt werden, die die enthaltenen Zauber nicht kennt. Schlimmstenfalls könnte ein Zauber, der ihre Fähigkeiten übersteigt, ihren Verstand verbrennen wie ein Blatt Papier.


Hexenbücher sind kostbar. Viele sind gar Einzelstücke, von denen keine Kopie angefertigt werden kann. Manche sind gefährlich, andere uralt und wenig erforscht. Es gibt genügend Werke, auf denen Schutzzauber liegen, die jeden treffen, der sie unvorbereitet öffnet. Andere sind so dunkel, dass sie den Geist einer Hexe verführen, sich auf die finsteren Pfade der Magie zu bewegen, ohne dass ihr noch ein klarer Gedanke verbleibt. Nicht selten besitzt Magie einen hohen Preis - wie hoch er ausfällt, richtet sich oftmals nach den Ambitionen einer Hexe - und der Stärke ihrer Willenskraft. Nicht immer sind Zauber für sie beherrschbar. Manche sind zu stark - sie gehören nicht in die Welt der Menschen und richten darin wenig mehr als Schaden an.


Die Grauroben

»Der Zirkel stellt mich vor die Wahl«, antwortete Alysea gefühllos. »Dameo oder meine Magie. Entweder ich erweise mich als treue Dienerin des Sonnenhofes, die dem Hexengesetz folgt, oder sie nehmen mir meine Magie.«

»Das können sie nicht tun!«, rief Adia erschrocken aus. »Sie haben kein Recht dazu. Du bist die Fürstin des Nachthofes! Du unterliegst nicht länger ihrem Gesetz.«

»Doch, das können sie. Die Grauroben besitzen das Recht, zu tun, was immer sie für richtig halten, weil sie das Gesetz sind, dem jede Hexe sich beugen muss, wenn es ihre Magie betrifft. Sie werden meinen Stand nicht anerkennen, solange unsere Verbindung nicht auch nach dem Gesetz der Hexen rechtmäßig ist. Und wenn der Zirkel sich dazu entschließt, meine Magie zu versiegeln, wird niemand sich ihm entgegenstellen. Er besitzt genügend Macht, um selbst meine Mutter zu zwingen, nach seinem Willen zu handeln und einen Konflikt zwischen den Höfen heraufzubeschwören. Allein die Götter wissen, wie weit die Konsequenzen reichen werden, wenn ich mich widersetze.«



Die Grauroben sind nicht allein der oberste Zirkel der Hexen Gemeas. Sie sind das Gesetz der Hexen, dem sich selbst die Sonnenfürstin zu beugen hat. Keine Macht steht über den Grauroben, wenn es um die Geschicke der Hexenwelt und der Magie geht. Sie erlassen Gesetze, entscheiden über Strafen und gebieten über das dichte Netz aus Hexenjägern, das jene aufspürt und einfängt, die das Gesetz übertreten. Keine Macht über die Hexen ist größer als ihre. Sie entscheiden, ob eine Hexe ihre Magie für alle Zeit verliert, wenn sie sich zu weit von den Pfaden des Lichts entfernt hat, und können selbst ganze Geschlechter auslöschen, wenn deren Existenz eine Gefahr darstellt.


Wenn die Grauroben in der Cae’Magriae zusammenkommen, um Gericht zu halten, sind ihre Gesichter auf magische Weise maskiert. Sie wirken gleich. Geschlechtslos. Alterslos. Selbst ihre Stimmen wirken hohl und ausdruckslos. Sie machen es unmöglich, den Sprecher dahinter zu erkennen. Allein der oberste Richter oder die oberste Richterin des Zirkels offenbart das Gesicht. Es ist die Graurobe, die nicht allein den Vorsitz über die Zusammenkünfte besitzt, sondern auch als Zauberbrecher des Zirkels fungiert. Für gewöhnlich ist es eine Hexe, die ein besonderes Talent dafür besitzt, Zauber zu erkennen, sie zu durchschauen und unschädlich zu machen.


Die anderen Grauroben werden jeweils aus den Elementschulen der Magie erwählt. Jedes Element ist darin mit einem männlichen und einem weiblichen Aspekt vertreten. Eine Ausnahme ist die Schule der Schatten - jene, die sich zu dicht an den dunklen Pfaden bewegt. Traditionell wird dieses Element der Magie von der Hexenfamilie der Ponthean vertreten - und nur von einem einzigen Mitglied. Die Ponthean sind die einzige Familie in Gemea, der es seit Gründung des Zirkels erlaubt ist, die dunklen Winkel der Magie zu erkunden, um sie zu bewachen. Allerdings begegnet man ihnen dennoch mit Vorsicht und Ehrfurcht - wer sich so nahe an der Dunkelheit bewegt, kann niemals vollständig in der Gesellschaft der Hexen akzeptiert werden.


Die Grauroben vererben ihren Sitz normalerweise an ihren Nachfolger. Dazu erhält dieser den Ring mit dem Zirkelwappen, dem Elementkreis der Magie, der vor Diebstahl geschützt ist. Niemand außer seinem rechtmäßigen Träger kann ihn weitergeben und niemand außer seinem Nachfolger kann ihn über seinen Finger streifen. Jeder Versuch, ihn zu stehlen, würde nicht mehr bewirken, als den Ring durch einen Zauber in die Cae’Magriae zu versetzen, wo der Zirkel darüber entscheidet, was mit ihm geschehen wird.


Manche Grauroben akzeptieren Schüler. Meist besitzen diese ein besonders großes Talent, das sie aus der Masse hervorstechen lässt, und es gilt als eine große Ehre, von einem Magris oder einer Magresa erwählt zu werden. Eine Ehre, für die mancher Schüler weit zu gehen bereit ist.

Die aktuellen Magriae der Elemente:


Erste Richterin:

  • Die Graue, Magresa Oris Crescaen


Feuer

  • Magris Castian Julanis
  • Magresa Ofea Caelian


Erde

  • Magris Titas Solinian
  • Magresa Valina Loredanis


Wasser

  • Magris Prynas Duscian
  • Magresa Geminea Ascianis


Luft

  • Magris Janis Flavinias
  • Magresa Cypra Apolinas


Licht

  • Magris Onoreo Scavian
  • Magresa Latea Myras


Schatten

  • Magresa Feora Ponthean


Oseanis

Oseanis war der längste Tag des Jahres, die hellste Nacht. Und die Hexen feierten das Licht – und die Möglichkeiten, die sich mit dem Eintritt der Junghexen in die Welt der Erwachsenen für die Familien eröffneten. Der Oseanisball war traditionell nicht allein ihre Einführung in die Gesellschaft. Er bedeutete auch, dass neues Blut vorgeführt wurde, das in die Familien einheiraten konnte. Sie waren wie Zuchtstuten und Hengste. Ihr Blut wurde bewertet und abgewogen, bis der Höchstbietende das Rennen um die begehrteste Trophäe für sich entschied. In ihren weißen Kleidern stachen die jungen Frauen aus der Menge heraus, sodass man sie weithin entdeckte. Zarte Blüten, die sich soeben den ersten Sonnenstrahlen entgegenreckten. Die jungen Männer waren ebenso hell gekleidet. Es bereitete keine Mühe, sie zu finden.




Oseanis, der Tag des Lichts, ist der wohl höchste Feiertag der Hexen. Er bezeichnet den längsten Tag des Jahres und die hellste Nacht, in der das Licht gegen die Dunkelheit streitet.


Am Morgen des Oseanis-Tages findet in der Cae’Magriae die große Oseaniszeremonie statt, an der alle Hexenfamilien teilnehmen. Dort werden nach der Prüfung ihrer Fähigkeiten und Affinitäten die Junghexen in die Hallen der Magie aufgenommen und ihren Elementschulen zugeteilt. Zuvor sprechen sie ihre Eide, noch in neutrales Weiß, die Farbe des Lichts, gekleidet, und schwören, ihre Magie niemals zu missbrauchen, um auf den dunklen Pfaden zu wandeln. Die Graue, die oberste Richterin des Zirkels, verteilt anschließend die Zaubersiegel der jeweiligen Familien an die neu aufgenommenen Hexen. Danach folgt die Zeremonie, bei der sie in ihre Elementschulen gelangen und symbolisch von den Magriae Gemeas in dieses neue Leben des Lernens geführt werden.


Nach der Oseaniszeremonie folgt der Oseanisball, der für gewöhnlich am Sonnenhof ausgerichtet und von dem regierenden Sonnenfürsten eröffnet wird. Die Junghexen erleben dort den ersten Tanz in der Gesellschaft und nehmen fortan am gesellschaftlichen Leben teil. Traditionell gilt der Oseanisball als eine Art Heiratsmarkt der Hexen, auf dem vielversprechende Verbindungen beschlossen werden. Die neu aufgenommenen Hexen tragen reines Weiß, das sie aus der Menge der Ballbesucher herausstechen lässt, obgleich niemand es wagen würde, sich zu Oseanis in eine dunkle Farbe zu kleiden.


Die Tänze dauern an, bis der Mond aufgeht. Kommt die Dämmerung, wird im Innenhof des Sonnenhofes die Verabschiedung der Sonne zelebriert. An dieser Zeremonie nehmen sowohl die Grauroben als auch die Stimme des Lichts und ihre Priesterinnen teil. Spiegellichter verstärken dann das natürliche Licht, sodass der Tag noch so lange verlängert wird, bis die Zeremonie vorüber ist.


Für gewöhnlich findet diese auf einem sonnenförmigen Podest statt, von dem aus die Lichtstimme und die Grauroben unter Gesängen der Priesterinnen Lichtstrahlen in den Himmel entsenden. Diese münden in einen riesigen Sonnenball, der über Gemea aufsteigt und schließlich am Ende der Zeremonie zu Funken birst, die auf die Besucher rieseln. Die stellt den Abschied des Lichts dar und somit auch den Zeitpunkt, an dem die Hexen das Freie verlassen.


Der Mondwahn

Der Mond stand bereits am Himmel und es war, als würde er den Einfluss der Schwarzen Spiegel trotz der geschlossenen Vorhänge verstärken. Alysea spürte, wie der Mondwahn an ihrem Geist zerrte, wie er an ihr saugte und sie verlocken wollte, sich ihm zu überlassen. Er war stark. So stark, dass ihre eigene Schwäche ihr allzu schmerzlich bewusst wurde.


Der Einfluss des Mondes auf die Magie der Hexen ist wohl bekannt. Ihre Macht steigt mit dem Vollmond und sinkt, bis der Neumond erreicht ist, um mit dem Mond wiedergeborene zu werden. Allerdings sind Körper und Verstand eines Menschen zu zerbrechlich, um die Ströme unbegrenzt ertragen zu können. Ein Übermaß davon kann tödlich enden - oder den Verstand zerbrechen wie eine gläserne Vase, die zu großem Druck ausgesetzt wird.


Für die Hexen von Gemea besteht diese Gefahr seit Seraphias Fluch in jedem Mondlauf, wenn sich der Vollmond nähert und die magischen Ströme so stark werden, dass sie ihren Verstand bedrohen. Dies hat dazu geführt, dass sie das Mondlicht, das ihnen ein ähnliches Unwohlsein verursacht wie die Sonne den Schattenwandlern, meiden, so gut es ihnen möglich ist.


Anders als die Brandwunden durch die Sonne, ist der Mondwahn jedoch deutlich weniger greifbar. Er ist eine Erkrankung des Geistes und vollkommen unheilbar. Hexen, die davon betroffen sind, spüren die Verlockung des Mondes, die sie dazu zwingt, sich seinen Strahlen und somit seiner vollständigen Macht auszusetzen. Werden sie nicht durch den Mondtränen-Trank geschützt, endet dieses rauschhafte Bad in den Strömen der Magie damit, dass der Verstand der Hexe zersplittert. Sie endet als teilnahmsloses, zitterndes Bündel, das mit jedem Tag mehr dahinsiecht und verwittert.


Vom Mondwahn betroffene Hexen verweigern die Aufnahme von Wasser und Nahrung. Selbst wenn man sie den Strömen der Magie entreißt, bleibt der abwesende Zustand erhalten. Der Geist hat sich vom Körper getrennt und dieser verwelkt so lange, bis er sich nicht länger ans Leben klammern kann. Der Tod ist stets die Folge des Mondwahns - wie lange eine Hexe bis dahin am Leben gehalten werden kann, unterscheidet sich von Fall zu Fall.

Erleben sie weitere Vollmonde, ereignet sich meist das Phänomen, dass sie aus ihrer Starre erwachen und alles versuchen, um ins Licht des Mondes zu gelangen. Sie werden zu schreienden, wahnsinnigen Furien, die nur mit Mühe ruhig zu stellen sind. Die wenigsten leben jedoch lange genug, um noch ein weiteres Bad im Mondlicht zu erleben.


Leichte Anzeichen von Mondwahn können bei Hexen auftreten, die sich auf die dunklen Pfade wagen und sich den stärksten Strömen der Magie zu oft aussetzen. Auch dann erlebt man, dass ihr Geist mit und mit verwirrter wird, bis er schließlich verloren ist. Diese seltene Form des Mondwahns tritt nicht immer deutlich zutage, kann aber an leichten Veränderungen erkannt werden - einem immer magerer werdenden Körper, einem abwesenden Blick, der an einem fernen Ort zu weilen scheint. Manchmal sagt man davon betroffenen Hexen nach, dass sie zu eng mit Schattenwandlern verkehren, doch diese Erklärung liegt eher in Hass als in Tatsachen begründet.


Bekannte Hexenzauber-Befehle

Die hier aufgelisteten Befehle werden allgemein von den Hexen aus Gemea benutzt und gehören der »gezähmten« Hexenmagie an. Einige von ihnen werden jedoch auch auf Gegenstände gewoben - zum Beispiel im Falle von Lichtjuwelen - und können dann auch von Nicht-Magiekundigen eingesetzt werden.


  • Abrae - der Zauber öffnet Schlösser, entriegelt oder öffnet generell verschlossene Dinge.
  • Acae - beschwört Wasser, Regen, Tropfen in unterschiedlichem Maß.
  • Aranis - ruft ein Netz aus klebrigen Spinnenfäden herbei.
  • Cedis - ein Bannzauber, der eingesetzt wird, um beispielsweise einen anderen Zauber zu brechen.
  • Dimae - Dämpft Licht.
  • Fulgae - löst einen heftigen, heißen Blitz aus.
  • Funae - beschwört ein Seil, das sich nach dem Willen der Hexe bewegen lässt.
  • Ignae - erzeugt eine Flamme / Feuer bzw. Hitze.
  • Lumae - wird häufig eingesetzt, um Licht direkt zu beschwören oder auch, um einen Lichtstein zu aktivieren.
  • Revelae - enttarnt Magie und zeigt die Wirklichkeit darunter. So könnte der Zauber über einem verzauberten Gegenstand damit geschmolzen werden.
  • Sagris - ein Angriffszauber, der Pfeile aus Licht beschwört, die das Ziel verletzen.
  • Somnae - ein Zauber, der das Ziel einschlafen lässt.
  • Umbrae - beschwört Dunkelheit oder Schatten.
  • Velae - verschleiert die wahre Gestalt und verleiht eine andere. Kann beispielsweise eingesetzt werden, um einer Person für eine gewisse Zeit das Gesicht einer anderen zu verleihen.
  • Venidae - löst einen vorher festgelegten, meist komplexen Zaubereffekt aus.
  • Ventis - beschwört den Wind.
  • Vincae - ruft Fesseln aus Magie hervor, die sich um das Ziel winden.


  • -maes - wird generell zur Verstärkung der Macht / Energie eingesetzt, die in einen Zauber fließt. Lumae-maes z.B. würde den Lichteffekt heller erglühen lassen.



Hinweis: In Gemea geborene Hexen können zu diesem Zeitpunkt nicht außerhalb von Gemea gespielt werden, da sie durch Seraphias Fluch ortsgebunden sind. Möglich wären aber Charakterkonzepte mit einem Anteil Hexenblut.