Corynn hatte sich mit als erster bei dem Geschehen eingefunden, wohl weil alle anderen, gleich wie schnell, von der Kathedrale bis hierher hatten bewegen müssen, derweil sein Weg, so betrachtet, der Kürzeste wohl einfach war. Doch da war ein adeliger kraftstrotzender Schattenwandler in der Blüte seiner Kraft und – wenn hier tatsächlich gerade passiert war, was Corynn befürchtete, wissend, das der Tod ihm so gewiss war, wie vermutlich niemand Anderem hier in Gemea. Und dazu noch eine Hexe, zwar gerade eher verletzlich wirkend, aber wenn auch sie in der Kathedrale dem Gabentausch gerade beigewohnt hatte, sicherlich auch von hohem Stand und voller Magie… Sicherlich würden beide jeden entdeckten Beobachter umgehend töten, und sei es nur Ihre Spur zu verwischen. Nein! Ehe er zu nahe kam, war er eine, nicht gar zu nahe, Ulme rasch und leise emporgestiegen, nachzudenken. Pelor Mnenk hatte ihm erst heute Nachmittag, nach dem Unterricht, nochmals erklärte, dass dieser … »Fluch«, einen ewigen Krieg unterband, bei dem alle unbeteiligte und nichtmagische Geschöpfe zwischen den Fronten sonst regelrecht zerrieben würden. Der Fluch darf darum niemals verlöschen! hatte Pelor gesprochen und das Schutzzeichen der des Lichts in die Luft vor sich gezeichnet, ehe er das Thema zu Harmloseren umgeschwenkt hatte.
“Geh zu ihnen, hilf ihnen! Warum zögerst du?” Beinahe ungläubig klang das Wispern des Windes ihm in den Ohren, doch bevor Corynn auch nur mit einem Wort zu der Erklärung ansetzen vermochte, warum ihnen zu helfen den Tod von Tausenden nach sich ziehen mochte, überschlugen sich die Ereignisse auch schon. Corynn vermocht kaum zu erkennen wo alle Beteiligten so plötzlich her kamen. Doch die Zwiesprache zwischen dem vor die Hexe sich stellenden Schattenwandler und den Anderen, dann die weiteren Kämpfer, die sich mit Reden gar nicht erst abgaben, aber scheinbar für das Paar sich einsetzten. Der Fluch darf darum niemals verlöschen! erklang erneut Pelors Stimme in des Windkindes Geistes auf. Und doch waren da zwei Geschöpfe, die sich dieses Schicksal sicherlich nicht freiwillig ausgesucht hatten und die doch beide hier und jetzt – vor Corynns Augen – sterben sollten: für »das größere Wohl!« Als die Schlacht sich unter ihm entfaltete, sah Corynn nur diese zwei Gestalten im Zentrum des Geschehens. Vermutlich hätten beide ihn in einer anderen Situation entweder im Dreck zertreten, wie man es mit Gewürm, das einem zu nahe kam, nun ein mal tat, oder mit Verachtung ignoriert, diesen niederen Abschaum… Der Fluch darf darum niemals verlöschen! “Nein!” zischte Corynn leise in seinem Versteck.
Wenn man und alles, woran man glaubt, opfert und sei es auch noch so sehr für ein vermeintlich »größeres Wohl«, ist am Ende doch nichts mehr da, dem das Wohl dann noch nützen würde, hätte das Böse alles vermeintliche Wohl von doch verbrannt und zu seinesgleichen gewandelt. Asche, kalt – tot! War das der Wind, der ihm diese Gedanken einflüsterte, die für ein Kind doch weit zu… “Sturm!” wisperte Corynn mit einer Entschlossenheit und einem Zorn, wie er ihn selten zuvor erlebt hatte. “Sturm!” wisperte erneut und wies den Geistern des Windes einen großen Kreis um alle Kämpfenden am Boden unter ihm! Es war kein Befehl, denn die Kinder des Windes bezwangen die Elemente nicht, wie dieses von den Hexen praktiziert wurden. Nein, die Windgeister waren ihnen Freunde und Freunde bezwang man nicht, man bat hier und gab dort. Und doch schien ihm, das die Windgeister, waren es doch mehr als nur der eine, der ihn hierher geführt hatte, nur auf diese Worte gewartet hatten, brauste es doch mit einem Mal um ihn her laut auf. Zuerst hatte er überlegt mit einem Signalpfiff und einem, von den Windgeistern verursachten, leisem Rascheln in allen Sträuchern der Umgebung einen Hinterhalt anzudeuten, die Neuankömmlinge zu einem Rückzug zu bewegen. Doch das war gewesen, als die beiden Seiten noch verhandelt hatten und er noch für richtig gehalten hatte, sich am Besten nicht weiter einzumischen.
Doch als er das Schlachten – ein anderes Wort für das Gemetzel unter sich wollte dem Jungen partout nicht einfallen. “Lasst sie glauben, Seraphias Zorn selbst stelle sich schützend vor die Auserwählten!” zischte er den Geistern zu. “Erhebt euch! Vertreibt den Rauch!”, denn seltsamerweise schienen die zu Rauch sich wandelnden Schattenwandler gegen das Paar, derweil l alle anderen Schattenwandler (manche davon, die aussahen, als wenn sie zum Frühstück kleine Kinder fräßen)… eine andere Form von Dunkelheit offensichtlich doch verkörperten. “Bitte beschützt die Beiden, helft ihnen!”, flehte Corynn die Windgeister an, derweil Pelors Stimme ihm so deutlich im Geiste erklang, als stünde der alte Mann direkt hinter ihm. Der Fluch darf darum niemals verlöschen! War es wirklich das richtige, was er da gerade anstieß? Und doch: Den unverschuldeten Tod zweier fühlender Wesen tatenlos mitanzusehen? “Bitte Brüder, Schwestern, alle die ihr helfen mögt: Helft, bitte helft!”