Mondfeuer

Der Palast des Feenkönigs

Die zweifarbigen Augen des Feenkönigs glühten. Eines wie dunkler Saphir, dem Nachthimmel gleich. Das andere aus strahlendem Gold, von der Sonne geschaffen. Die Flammen seines Haares ergossen sich über die mächtige Gestalt, die auf dem Obsidianthron saß. Der Körper angespannt, die Hände in mühsamer Beherrschung um die Armlehnen geklammert. Sie waren allein in seinem Thronsaal. Keiner seiner Untertanen hielt sich unter der hohen Kuppel auf, die aus Sternenlicht gewoben war. Kein Wächter stand zwischen den schwarzen Säulen, die sie trugen. Corvyn sah nicht hinauf zu den verwirrenden Gittern aus leuchtendem Silber, über denen er den Mond wusste. Sein Licht war es, das die Wirbel auf dem Boden in ihre nie enden wollende Bewegung versetzte. Nun tanzten sie schneller, ein sichtbarer Hinweis auf die Erregung, die im Herrn dieser Hallen tobte.

Aus den Strahlen des Mondes geformt und zu der Gestalt eines mächtigen Palastes gesponnen, der allen Gesetzen trotzt. Mondfeuer, so nennen die Feen diesen Ort, in dem die mächtigste Kreatur ihres Reiches lebt, der Feenkönig, der von hier aus über sein Land regiert. Umgeben von Spiegeln, die ihm alles offenbaren, was er zu sehen wünscht.


Unzählige Türme recken sich dem Sternenhimmel entgegen, weiß wie Schnee und ebenso glitzernd. Feine Gespinste aus Silber bilden Kuppeln und zieren Fenster, so zerbrechlich, als könnte ein Windhauch sie durchbrechen. Weiße Rosen bedecken jeden Turm und ranken sich an der Fassade hinauf. Doch wer sie berührt, stellt nur zu schnell fest, dass ihre zarten Blütenblätter scharf sind wie Messer, die mühelos Fleisch zerschneiden können, ohne dass sie Dornen dafür brauchen. Sie überwuchern den Garten mit ihrer wilden Schönheit und schmiegen sich an Pavillons und Springbrunnen, umrahmen Wasserspiele und ranken sich über die gepflegten Wege, die wirken wie schimmernder Kristall.


Der innere Hof des Feenkönigs bevölkert den Palast. Würdenträger und Beamte, jene, die seinem Blut am nächsten stehen oder genügend Macht besitzen, um sich dieses Privileg verdient zu haben - solange sie ihn nicht verärgern und dafür aus den hohen Marmorhallen verbannt werden.


Wann immer dies geschieht, färben sich die Mauern des Palastes schwarz. Dann erlöscht das Licht von Mondfeuer und lässt nur die glänzende Schwärze von Obsidian zurück. Dieses Phänomen zeigt sich häufig, wenn der König der Feen in seinem Thronsaal Audienzen gewährt und dabei über jene richtet, die die Gesetze des Mondreiches übertreten haben.


Wie der Rest des Feenreiches ist auch Mondfeuer in einem ständigen Wandel. Die Fassade verändert sich, Brücken entstehen zwischen Türmen, Fenster und Balkone bilden sich aus dem Nichts. Wirbelnde Adern aus Silber ziehen sich durch die Wände. Gefangenes Mondlicht, das den Palast erglühen lässt. Das kalte Mondfeuer, das dem Palast seinen Namen gegeben hat. Es brennt in offenen Schalen und kristallenen Lampen, erhellt die Säulengänge mit seinem Schein und flackert selbst in den Kerkern, die sich unterhalb des Palastes befinden.


Künstler arbeiten in seinem Schein an ihren Werken, erschaffen Statuen und Wandmalereien mit ihren eigenen Händen, denen eine Magie innewohnt, die das Feenreich nicht besitzt. Oftmals sieht der Feenkönig ihnen dabei zu und ein aufmerksamer Beobachter kann dann ein sehnsüchtiges Licht in seinen zweifarbigen Augen entdecken.

Ein genauerer Blick in die Gänge des Palastes offenbart, dass er von ungewöhnlich vielen Menschen bevölkert wird. Sterbliche Gesichter, die für eine Weile im Licht des Mondfeuers wandeln und dem Feenkönig Gesellschaft leisten, bevor sie unweigerlich erlöschen. Nie kann er sie lange halten, bevor sie im Mondreich vergehen. Doch in Luënndyl wispert man darüber, dass er manche wieder durch die Spiegel sendet. Zurück ins Reich der Menschen … wenn sie wahrhaft sein Herz berühren konnten.