Die Stadtwache von Sorieska

Die Augen Sorieskas

Sie sind das Auge, das bei Tag und Nacht über Sorieska wacht - die Männer und Frauen der Stadtwache, deren Uniformen jedes Kind kennt. Dabei ist es jedoch die Rote Wache, die zumeist als heldenhaft und tadellos dargestellt wird, die Quelle unzähliger Geschichten, bei denen Schurken das Handwerk gelegt wird, während die Blaue Wache mit Argwohn betrachtet wird.


Dies liegt schon allein in ihrer Herkunft begründet, denn die Rote Wache dient seit jeher dem Königshaus von Sorieska und stellt unter anderem auch die Leibgarde der Königsfamilie. Die roten Uniformen mit dem Rabenwappen tragen jene, die bereits seit Generationen in der Stadtwache dienen und deren Ämter meist innerhalb der Familie weitergegeben werden. Raben nennt man sie und die Familiennamen ihrer hochrangigen Mitglieder sind in der ganzen Stadt wohlbekannt.


Die Blaue Wache, von den Raben auch spöttisch als „Goldene“ bezeichnet, sind dagegen ein zusammengewürfelter Haufen. Ihren Lohn beziehen sie aus den Schatzkammern der Händlergilde, was ihnen ihren Namen eingetragen hat, und wer hier dient, tut es aufgrund seines Talents oder gar seiner besonderen Talente. Einige der Goldenen besitzen rudimentäre magische Fähigkeiten, die ihnen helfen, die gefährlichen Nächte zu überleben, in denen sie über Sorieska wachen. Denn die Blaue Wache übernimmt die Nachtwache, während die Raben die Tagwache innehaben - und bei besonderen Anlässen im Dienst sind.


So mag es nicht verwundern, dass beide Zweige einander nicht wohlgesonnen sind. Die Goldenen bezeichnen die Raben häufig als bequem und verweichlicht und spotten über die prächtigen Uniformen und teuren Rangabzeichen, die sie sich an die Brust heften. Schließlich dienen sie bei Tage, im Licht der Sonne, das sich besonders gut in dem edlen Metall fängt - und zu einer Zeit, die deutlich weniger Gefahren aufweist als die Nacht. Die Raben wiederum besitzen kaum ein gutes Wort für die ungehobelten Diener der Nachtwache, auf die sie bereits aufgrund ihrer niederen Herkunft herabsehen. Schmutzige, geldgierige Söldner. Selbst kaum besser als die Gauner, die sie in Gewahrsam nehmen. Gelockt von Lohn anstelle von Ruhm.


Dies entspricht nicht ganz der Wahrheit, denn beide besitzen ihren Anteil an Edelmut und Ambition. Doch es hält sie nicht davon ab, bei jeder Gelegenheit zu konkurrieren oder gar Streit vom Zaun zu brechen, wenn sie sich nicht im Dienst befinden. Die Hauptmänner beider Wachen dürfen sich nicht selten mit den Beschwerden der anderen Seite herumschlagen - und die Missetäter entsprechend bestrafen, wie es erwartet wird, um den Frieden zu wahren. Diese Strafen fallen in der Regel jedoch mild aus und dienen eher der Zufriedenheit der jeweils anderen Seite.


Die sogenannte »Sonnenwache« der Raben ist ein ehrwürdiges Gebäude am Rande der Oberstadt, das über eine Vielzahl von Nebengebäuden verfügt. Es ist erkennbar, dass es der Roten Wache nicht an finanziellen Mitteln mangelt. Bereits das goldgerahmte, rote Banner mit dem wehrhaften schwarzen Raben darauf weist darauf hin, und wer den Platz vor dem Gebäude passiert, wird von der beeindruckenden Statue des Hauptmanns Fabijn Varian empfangen, der einst König Brys von Serijsa ohne jeden Beistand vor Attentätern gerettet haben soll. Die Rote Wache versäumt es selten, mit Stolz auf ihre Verdienste hinzuweisen und derer gibt es tatsächlich einige.


Die »Mondwache« der Goldenen dagegen befindet sich in der Nähe des Hafens. Ein schlichtes, ein wenig heruntergekommenes Steingebäude mit einem hölzernen Unterstand für die Pferde, in dem die Nachtwache zusammenkommt. Für viele mag es mehr eine Heimat sein als das eigene Quartier irgendwo in der Stadt und deswegen ist das Gebäude zu nahezu jeder Stunde laut und belebt. Manchmal nur, weil die Wachmänner zu einem Würfelspiel zusammenkommen, um sich die Zeit zu vertreiben, bis ihr Dienst beginnt.


In der Mondwache ist Hauptmann Laurin Marijan stets damit beschäftigt, nach neuen Talenten für seine Wache Ausschau zu halten. Ein noch junger, drahtiger Serijse, der seine Wache kameradschaftlich führt, jedoch auch eine strenge Hand besitzt, wenn es nötig wird. Keiner seiner Leute würde ihm jemals den Respekt verweigern oder seine Befehle ignorieren.


Die Sonnenwache wird momentan von Hauptmann Camil Nicolijs geführt, dem stolzen Spross einer alten Familie, die seit Generationen der Krone dient. Camil mag in die Jahre gekommen sein, dennoch ist er ein fähiger Mann, dem der Respekt seiner Männer sicher ist und dessen Ärger gefürchtet wird. Ärger, der besonders dann zum Vorschein kommt, wenn man dem Königshaus die Ehrerbietung verweigert, die ihm zusteht.