Das Auge des Mondes

Die ewige Wacht


Das Auge des Mondes, an der Grenze zwischen Ober- und Unterstadt gelegen, ist gewiss eine der ältesten Tavernen von Sorieska. Der Mond mit dem offenen Auge auf dem Schild über dem Eingang hat viele Generationen von Sorieskern gesehen. So mag es kein Wunder sein, dass insbesondere die Söhne und Töchter der alteingesessenen Familien hier verkehren und die Taverne erst im Morgengrauen wieder verlassen. Natürlich führt dies dazu, dass das Auge des Mondes für viele von Interesse ist, die auf der Suche nach Klatsch sind. Allerdings kann kein Orin und kein Goldfolin den Wirt Dacyn Fabijn dazu bringen, die Klatschsucht zu befriedigen. Und ebenso wenig tun es seine Schankmädchen. Was im Auge des Mondes geschieht, bleibt im Auge des Mondes. Und so kommen vor allem all jene hierher, die diese Diskretion zu schätzen wissen.


Auf den ersten Blick ist das Auge des Mondes eine saubere, gemütliche Taverne. Das Holz der Theke ist poliert, der Lichtschein warm und die Fenster sind mit Buntglasscheiben versehen, die neugierige Blicke ins Innere verhindern. An den Abenden dringt Musik aus der Taverne in die Seitengasse, in der sie gelegen ist, und Hufschlag vermischt sich damit. Die Stallburschen führen die Pferde der Gäste in den Stall und es herrscht ein reges Kommen und Gehen.


Niemand achtet auf die unscheinbaren Symbole, die an verborgenen Stellen in das Holz der Fensterrahmen und Türen geritzt sind. Die sich in Balken verbergen und die Möbel zeichnen. Schutzsymbole gegen das Feenvolk, uralte Zeichen, die das Auge des Mondes für Feen unsichtbar machen, als würde es nicht existieren. Keines zweiten Blickes würdig.


Und niemand betritt je das Herz der Taverne, tief in den Kellerräumen. Den geschützten Versammlungsraum mit dem runden Tisch. Die Kammer mit den Waffen aus Feeneisen. Den Vorratsraum voller Phiolen und Gläser. Die Wahrheit hinter der Fassade der ehrwürdigen Taverne. Denn das Auge des Mondes gehört den Hütern der Dämmerung, den Streitern gegen die Feen, und die Fabijn sind eine der Familien, die aus dem Blut der Dämmerung hervorgegangen sind.


Und so wacht das Auge des Mondes seit langer Zeit über Sorieska, auch wenn niemand es vermuten würde. Die Geburtsstätte der Hüter der Dämmerung und ihr Stützpunkt, von dem aus sie in die Nacht verschwinden.