Verdammt, verdammt, verdammt!!! Wie ein Schatten war das Tierblut durch das Dunkel der Nacht gejagt, mit seinen Augen jedes noch so schwache Sternenfunkeln, das von Zeit durch die rasch dahinziehenden Wolken über ihm brach, nutzend, die Straße unter sich im Blick zu behalten. Er war schon drauf und dran gewesen, umzukehren, als… In großer Höhe kreiste er über der verlassen am Weg stehenden Kutsche, ließ seine Blicke über einen nahen Hain huschen, suchte nach Netzen, verborgenen Verstecken im Boden um die Kutsche, aus der die Tierblutjäger hervorbrechen könnten, aber … nichts! Nur der tote Kutscher und zwei Frauen, eine verletzt, wie dieser Gëaverdammte Bastard es ihm gesagt hatte. Vorsichtig ging Noah tiefer, jederzeit bereit Bolzen oder sonstigen Geschossen auszuweichen, die etwaige Tierblutjäger für ihre Beute bereit halten mochten. Die Kutsche war leer, soviel hatte ihm sein feines Gehör schon verraten. Dennoch zog er in gut zwanzig Fuß Höhe nochmals einen weiten Bogen um die Kutsche und die nähere Umgebung. Aber nicht einmal ein verräterisches Atmen unter einer vermeintlichen Grasdecke zeugte von darunter verborgenen Häschern und der älteren Frau dort unten ging es mit jedem ihrer rasselnden Atemzüge schlechter und schlechter, derweil das Wegkraut, das von seiner rechten Fußklaue gehalten wurde, hier droben, hoch in der Luft, von keinem großen Nutzen war. Verdammt!
Die junge Frau bemerkte Noah erst, als er als geflügelte Eule direkt vor ihr niederging und was dann folgte, es verschlug ihr erfreulicherweise den Atem. Denn dort, wo eben noch der Vogel am Boden gehockt hatte, erhob sich nun eine kindsgroße humanoide Bestie: Ganz in beige- und braunfarbene Federn gehüllt, mit den Klauen eines Vogels und einem großen Eulenkopf, wo das Haupt eines Menschen hätte sein müssen. Gelassen bückte sich Noah, der bewusst diese Halbgestalt gewählt hatte, sich nicht nackt hier vor den Damen bewegen zu müssen, noch sich überhaupt irgend zu erkennen zu geben, und ergriff das Büschel – wie er hoffte – spitzen Wegekrauts mit seinen befiederten Fingern. Noch immer zu keiner Lautäußerung fähig hielt die junge Frau ihm indes zitternd ein trockenes Bündelchen Eisenwurz entgegen. „Krahhh!“ krächze Noah, schüttelte dann, beinahe schmunzelnd sein Haupt, woraufhin sein Kopf mit einem Male weit menschlicher noch, denn zuvor wirkte, obgleich seine Augen noch immer tiefschwarz und das ganze Gesicht mit Federn bedeckt war. „Keine Fee, will helfen!“ krächzte Noah, doch statt die junge Frau damit zu beruhigen, schrie sie nun vielmehr laut auf und warf mit allem, was sie in die Finger bekam (die Eisenwurz zuerst und danach Dreck und kleinen Steinen) nach ihm, das er keine andere Möglichkeit sah, als auf sie zuzuspringen, und mit einem wohl gesetzten Fausthieb, der ihm erfreulicherweise gelang, in das Reich der Träume zu schicken.
Als die Frau wieder zu sich kam, ruckelte die Kutsche langsam auf der Straße dahin, das sie im ersten Moment glaubte, das alles nur ein Albtraum gewesen wäre, doch „AIIIIIIIIIIIIIHHHHHHHHHH!“ Spitz und schrill entrang sich ein Schrei ihrer Kehle, als sie den massigen Leib des toten Kutschers in den Fußraum zwischen die gegenüberliegenden Bänke der Kutsche gezwängt sah, woraufhin die Kutsche kurz nach dem Schrei ruckelnd zum stehen kam. Wer auch immer auf dem Kutschbock saß, hatte offensichtlich keine Ahnung, wie das Gefährt und vor allen Dingen die Zugtiere zu behandeln waren. Auf der anderen Bank, ihr gegenüber, lag ihre Lehrerin. Ein Teil ihres Kleides war zerrissen, offenbar um damit und mit den nicht von Blut besudelten Teilen des Pelzumhangs zusammen einen Druckverband anzulegen. Weit mehr als das eine Büschel Unkraut, das die Bestie vom Boden aufgehoben hatte, ehe es wie eine Furie über sie hergefallen war, lugte unter dem Verband hervor. Eine Klappe nach vorne zum Kutschbock öffnete sich und das gefiederte Antlitz der Bestie zeigte sich ihr erneut, blickte kurz in das innere der Kutsche und zog sich dann wieder zurück. „Sie braucht Hilfe, in Sorieska, sind auf dem Weg.“, krächzte eine kaum menschlich zu nennende Stimme vom Kutschbock herab. Danach setzte sich das Gefährt dann wieder in Bewegung. Die junge Frau fasste sich an die schmerzende Beule, knapp oberhalb der Schläfe und fuhr dann – ernstlich erschrocken – über ihr Kleid. Doch hatte die Bestie scheinbar nicht einmal versucht sich an ihr zu vergehen.
War das dann aber wirklich eine Bestie? Ihre Lehrerin war blass, aber die Wunde schien mit festem Druck und sicher – wenngleich auch vielleicht nur für den Augenblick – versorgt zu sein. Ihr war nichts passiert und selbst das Bündel Eisenwurz, lag wieder neben ihr. Dann – wie viel Zeit seit ihrem Wiedererwachen vergangen war, wusste sie selbst nicht mehr zu sagen – hörte sie aufgebrachte Rufe: „Eine Kutsche, führerlos, da muss was passiert sein. Wache, WACHEEEEE!!!“ Die Tür wurde aufgerissen und sorjesische Stadtgardisten blickten in das Innere des gestoppten Gefährts. „Ein Heiler, SCHNELL!“